Sie wussten erst gar nicht, was Sache war. Dann kam ein Mann mit einer schwarzen Lederrüstung zum Vorschein.
Wie konnte er sich so leise an uns heranschleichen. Hier liegen überall Steine, das ist unmöglich.
Schnell wollte Tarad in sein Horn blasen.
„Ah ah, bitte nicht.“ Sagte Adryan und hockte sich zu ihnen. „Gebt mir eure Hörner und euch wird nichts geschehen.“
Während Hasaren sich in Schockstarre befand, dachte Tarad nicht daran, auf diesen Mann zu hören. Wieder führte er sein Horn zum Mund und holte tief Luft, aber bevor er blasen konnte, riss ihm Adryan das Horn aus der Hand. Noch während es in seiner Hand war, fing es an, lichterloh zu brennen, bis nach wenigen Sekunden nur noch Asche übrig war.
der Magier!
Als er sich die Asche von seiner Hand gewischt hatte, galt seine Aufmerksamkeit Hasaren.
„Dein Horn bitte.“
Immer noch halb in Schockstarre tat Hasaren, was ihm befohlen wurde.
Anstatt es auch zu verbrennen, steckte Adryan es ein.
„Um deine Frage zu beantworten… Das ist Elfenbein, und kein Holz.“ Fügte Adryan noch hinzu.
Mit einer Handbewegung rief er zwei seiner Männer zu sich, die mit Seilen bewaffnet waren. Sie fingen an, die beiden Soldaten zu an Händen und Füßen zu fesseln.
„Wisst ihr…“ sagte Adryan, der nun zwischen den beiden saß und sich gemütlich an den Felsen lehnte. „Ich sehe meine Art der Magie nicht als Gabe an. Es ist eher ein Fluch. Unzählige Male war ich zu unvorsichtig und habe meine eigene Kleidung verbrannt. Meine Mutter kam damals nicht mehr hinterher, neue zu nähen. Habt ihr euch schon mal verbrannt?
Der schlimmste Schmerz, den man sich nur vorstellen kann. Es gibt nur eine Kraft, die schmerzvoller ist.“
Dann sah er zu Tarad herüber. „Die unerfüllte Liebe.“
Woher weiß er das? Dachte sich Tarad. Selbst den anderen Soldaten hab ich es nicht gesagt.
Als der Magier das verdutzte Gesicht des Soldaten sah, musste er leicht grinsen.
„Keine Angst, ich kann keine Gedanken lesen. Ich hab geraten.“
Nun waren Tarads Hände und Füße gefesselt. Hasaren saß immer noch schweigend da.
Er war nun ebenfalls gefesselt.
Adryan setzte seine Rede fort.
„Euer Anführer hat doch sicherlich einen Plan, wie er uns zuvorkommen kann. Ich möchte, dass ihr mir alles erzählt. Sonst muss ich euch foltern. Und ich erkenne Lügen.“
Tarad war fest entschlossen, nichts zu erzählen. Er wollte nicht den Tod vieler Menschen auf dem Gewissen haben. Er würde sich auf ewig dafür hassen. Außerdem waren ihm seine Kameraden ans Herz gewachsen.
Er bemerkte, dass Hasaren auch schwieg. Entweder war er noch in Schockstarre, oder bei ihm würde sich auch so etwas wie Mut zeigen.
„Ich weiß.“ Adryan brach das Schweigen. „Es ist nicht leicht, seine Kameraden zu verraten. Ich würde es auch nicht tun. Eher würde ich sterben. Aber ich habe einen Auftrag. Und ich werde diesen erfolgreich ausführen. Auch wenn das bedeutet, dass ich euch Foltern muss.“
Als einige Sekunden lang wieder schweigen herrscht, legte Adryan wortlos seine Hand auf Tarads Schenkel.
Der Schmerz, der ihm widerfuhr, war unerträglich. Einer der Formosi hielt ihm den Mund zu, sodass sein Schrei verhallte.
Endlich nahm Adryan wieder die Hand weg.
Tarads Hose war an der Stelle verbrannt und Blasen bildeten sich auf seiner Haut.
Es brannte immer noch.
Hasaren hatte nun noch mehr Angst, als er die Wunde sah.
Schnell schaute er wieder nach oben und fing an, schneller zu atmen.
„Immer noch nicht?“ sagte Adryan.
Als wieder niemand etwas sagte, ging er mit seiner Hand höher und blieb an der wichtigsten Stelle eines Mannes stehen.
„Komm schon. Du willst doch noch Kinder haben, oder?“
Ja, das will ich, dachte sich Tarad.
Aber ich werde ihnen nie in die Augen schauen können, wenn ich jetzt aufgebe und die Sache überlebe.
Nun machte er sich auf das gefasst, was kommen würde.
Sein ganzer Körper zitterte nun, doch er bemühte sich, standhaft zu bleiben.
Dann senkte der Magier die Hand. Der Schmerz, der nun folgte, war noch schlimmer. Blitzschnell breitete die Hitze sich aus und ging bis zum Bauch. Wieder hielt einer der Formosi Tarad den Mund zu. Und was war auch nötig. Seine Schreie wären noch in weiter Ferne zu hören.
Tarad hatte nur noch einen Wunsch.
Hör auf, hör auf, hör auf, hööööör aaaaaaaauf.
Nach einer gefühlten Ewigkeit nahm Adryan seine Hand wieder weg.
„Du hast soeben deine zukünftigen Kinder gegen deine Kameraden eingetauscht. Es gibt aber noch schmerzvollere Stellen. Willst du immer noch nichts erzählen?“
Und wieder herrschte Schweigen.
Tarads Kehle war trocken. Er konnte nur noch an den Schmerz denken.
Diesmal tastete Adryans Hand sein Gesicht ab.
Ein zischendes Geräusch verriet Hasaren, dass nun das Gesicht Tarads anfing, zu schmoren.
Er konnte garnicht hinsehen.
Seine Gedanken waren aber nur dem Feuer gewidmet.
Dem Feuer dieses Magiers, der alles und jeden verbrennen konnte.
Tarads Schreie hörten sich nun rau an, gefolgt von einem gurgelnden Geräusch.
Er schluckte jede Menge Blut.
Als Adryan endlich wieder die Hand vom Gesicht nahm, sagte er „Ich bewundere deinen Mut und deine Opferbereitschaft. Aus dir ist wahrlich nichts herauszuholen.“
Die Haut auf Tarads Gesicht war nun komplett verbrannt und rauchte.
Seine Sicht war vollkommen verschwommen, aber das kümmerte ihn nicht mehr.
Er wartete nur darauf, dass die Schmerzen vergingen.
Er wartete nur noch auf den Tod.
Dann stand Adryan auf und befahl seinen Männern, Tarad loszubinden.
Kurze Zeit später stand Tarad aufrecht, konnte sich aber kaum noch halten. Sein gesamter Unterleib schmerzte und war mit Blasen bedeckt. Bei jeder Bewegung schmerzte alles noch mehr. Das Gesicht brannte so sehr, dass Tarad beinahe bewusstlos wurde.
Nun sah er verschwommen die restlichen Formosi, die das Schauspiel in geringer Entfernung gespannt beobachteten.
Adryan stand nun genau vor ihm.
„Ich gönne dir einen schnellen Tod. Wir werden uns in der besseren Welt wiedersehen und dort zusammen einen trinken… irgendwann.“
Tarad wollte nur noch sterben. Die Schmerzen waren unerträglich.
Ja, er würde seine große Liebe nicht wiedersehen. Er würde nie den Augenblick erleben, wie er wieder nach Hause kommt und sie schon sehnsüchtig auf ihn wartet.
Und auch nie mehr den strahlenden Blick in ihren Augen, wenn sie lacht.
Oder ihre niedlichen Mundwinkel, die sich langsam nach unten biegen, wenn sie weint.
All das würde er eine lange Zeit nicht wieder sehen.
Aber er glaubte wie Adryan an eine bessere Welt nach dem Tod.
Der Magier führte seine Hand nun langsam zu Tarads Kopf und legte sie auf seine verbrannte Stirn.
Seine letzten Gedanken galten Katjana…
Er musste lächeln…
Dann spürte er ein letztes Mal einen stechenden Schmerz.
Zuerst fing sein Kopf Feuer.
Dann breitete es sich blitzschnell nach unten aus. Den Geruch von verbranntem Fleisch stieg Adryan in die Nase. Aber er kannte diesen Geruch schon zu gut, um seine Nase angewidert zu rümpfen. Natürlich war das ein unerträglicher Gestank, aber er hatte sich damit abgefunden.
Seine Miene blieb unverändert. Nach einigen Sekunden war nur noch ein rauchender Aschehaufen am Boden zu sehen.
Nun kam Adryan schnellen Schrittes auf Hasaren zu.
Der schlotterte vor Angst.
„Willst du mir jetzt sagen, was ich wissen muss? Wirst du dafür sorgen, dass dein Kamerad umsonst gestorben ist?“
Ohne Umschweife nickte er.
Er wollte einfach nur überleben und auf keinen Fall verbrannt werden.
Es war sowieso nicht seine Schuld, dass er hier ist. Er wollte überhaupt nicht an diesem Krieg teilhaben. Er hatte ihn nicht angefangen, also sah er es auch nicht ein, für ihn zu sterben.
Zumal niemand den wirklichen Grund kannte. Klar, die Formosi wollten Freiheit, aber was hatten die schwarzen Magier damit zu tun?
Für den folgenden Satz brauchte Hasaren nicht lange überlegen.
„Ja, ich erzähle alles.“